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Monochromes Experiment

Was steckt hinter der Faszination vieler Fotografen, die sich ganz bewusst und ausschließlich für Schwarz-Weiß-Fotos entscheiden? Die sich sogar eine Digitalkamera mit monochromem Sensor zulegen oder weiter auf Schwarz-Weiß-Film setzen und neben ordentlich Körnung auch einen aufwändigen Workflow in Kauf nehmen? Ganz ehrlich: So richtig nachvollziehen kann ich die Entscheidung hin zur ausschließlich monochromen (analogen) Fotografie nicht. Aber ich will versuchen, es herauszufinden.

Ich gehöre nicht zu der Generation, die beim Anblick von Schwarz-Weiß-Fotos in Nostalgie verfällt oder die Einführung der Farbfotografie als revolutionären Entwicklungsschritt miterlebt hat. Analoge Farb-Negativ- und Diafilme habe ich bei meinem Vater und Großvater kennengelernt. Meine ersten und letzten Analogfotos habe ich mit einer kompakten Olympus MJU-1 gemacht – natürlich in Farbe, um die Abzüge anschließend einscannen und zur Bebilderung meiner Modellflugprojekte ins Netz stellen zu können. Das muss Ende der 90er Jahre gewesen sein.

Während große Hersteller von Filmmaterial – wie Kodak und Fuji – nach und nach ihr Sortiment reduzieren, sprießen Start-Ups wie Impossible und der Scandienstleister MeinFilmLab aus dem Boden, um dem analogen Foto zu beständigem Dasein zu verhelfen. Wer den Aufwand beim Entwickeln, Scannen und Belichten analoger Fotos scheut, kann mit Filtern von VSCO den Schmelz und die Anmutung früherer Fotos simulieren und sie auf „alt“ trimmen.

Doch zurück zum Thema des Beitrages: Beim Bearbeiten meiner digitalen Fotos im RAW-Format tue ich mich schwer, die ursprünglich farbige Aufnahme in Schwarz-Weiß umzuwandeln. Der Unterschied ist in den meisten Fällen schlicht zu krass und verleiht dem Bild häufig eine Wirkung, die ich vor Ort (in Farbe) so nicht empfunden habe. Doch was geschieht, wenn ich direkt und vor allem bewusst in schwarz-weiß aufnehme und später gar nicht die Farb-Option habe, mich und meine Entscheidungsneurose vor dem Bildschirm also austrickse?

Dazu habe ich – zunächst für einen Nachmittag auf dem Flugplatz – das RAW Format in der Kamera deaktiviert und den Schwarz-Weiß-Modus mit erhöhtem Kontrast aktiviert. Zusammen mit der 28mm Festbrennweite sind schöne Reportageaufnahmen entstanden. Später am Rechner habe ich in punkto Ausdruck wenig vermisst. Im Gegenteil: Das monochrome Foto lenkt durch den Verzicht auf Farbe die Aufmerksamkeit direkt auf den Gesichtsausdruck der Menschen und die Stimmung der Situation. Es druckst nicht herum, sondern kommt direkt zur Sache.

Der kamerainterne Schwarz-Weiß-Modus der Leica M liefert Aufnahmen, die kaum nachbearbeitet werden müssen.

Gute Laune am Segelflugstart, Leica M + Elmarit-M ASPH. 28mm.

Nach meinen ersten digitalen Schwarz-Weiß-Aufnahmen lieh mir mein Freund Richard für vier Wochen seine Nikon FM2, die ihn seit 30 Jahren unter anderem auf Reisen durch Russland, China und Kanada begleitete. Mit manuellem Fokus, manueller Belichtung und fünf Rollen Kodak TRI-X 400 im Gepäck kam die Kamera während der vergangenen Wochenenden zum Einsatz. Der TRI-X 400 wurde übrigens 1940 eingführt und gilt als der meist verkaufte Schwarzweißfilm.

Beim ersten Film habe ich mir pro Aufnahme Blende und Belichtungszeit notiert, um anschließend entsprechende Rückschlüsse im Falle unter- oder überbelichteter Fotos ziehen zu können. Ich traute dem alten Belichtungsmesser nicht so recht. Doch die Sorge war unbegründet. Kein einziges Fotos war technisch aufgrund falscher Belichtung unbrauchbar. Das ist sicher auch der Toleranz des Kodak Films zu verdanken. Der Dynamikumfang ist der Knaller. Beeindruckend, was mit vergleichsweise alter Technik so auf Anhieb möglich ist.

Die Entwicklung und den Scan der drei belichteten Filme hat MeinFilmLab übernommen – für gut 50€ inkl. Rückversand der Negative. Zwar lassen sich gerade Schwarz-Weiß-Filme auch prima selber entwickeln, doch der Aufwand mit Chemie und anschließendem Einscannen war mir dann doch zu groß.

Die Aktion hat Spaß gemacht. Ich fotografiere analog bewusster und achte bei Schwarz-Weiß Aufnahmen besonders auf Licht und Schatten. Letztere können als interessantes Gestaltungselement für den Bildaufbau genutzt werden. Besonders positiv empfand ich die Tatsache, dass sich die Zeit am Bildschirm auf ein Minimum reduziert, da die SW-Aufnahmen aus der Kamera kaum bearbeitet werden müssen. Die Bearbeitung beschränkt sich auf leichte Ausschnittskorrekturen und natürlich die Auswahl der Fotos. Bei Farbaufnahmen im RAW-Format gibt es deutlich mehr zu tun – vor allem, wenn Fotos nicht als Einzelbild, sondern als Teil einer Serie funktionieren sollen.

Nach meinem kleinen Experiment kann ich die Begeisterung für Schwarz-Weiß-Fotos nachvollziehen. Ich möchte den Versuch sogar noch mit ein paar kontraststeigernden Farbfiltern (also solche, die man auf das Objekitv schraubt) fortsetzen.

Grundsätzlich erscheint mir die Diskussion in Fotoforen und auf diversen Blogs zum Thema Farb- vs. Schwarz-Weiß-Fotografie häufig mehr eine Frage persönlicher Paradigmen und weniger eine der visuellen Aussagekraft zu sein. Gezielt für bestimmte Motive und Serien eingesetzt, können Schwarz-Weiß-Fotos sehr sinnvoll sein. Es gibt ganz sicher Aufnahmen, die erst durch den Verzicht auf Farbe ihr volles Potenzial entfalten.

Für mich gibt es kein Entweder-oder. Bei meinen überwiegen frohen, positiven Motiven bleibt allerdings Farbe mein persönlicher Favorit.

Hier eine Auswahl an Fotos, die alle mit einer Nikon FM2 plus 28mm Objektiv auf TRI-X 400 entstanden sind.

Auswahl-NikonFM2-SW-01

Herbstflug im Kranich III und Motortestlauf der ASH-Crew, Nikon FM2 + 28mm f/2.8 AI.

Auswahl-NikonFM2-SW-02

Flugvorbereitungen und Beisammensein am Start, Nikon FM2 + 28mm f/2.8 AI.

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