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72h Budapest

Ania und ich verbrachten drei Herbsttage in Budapest und machten uns auf die Suche nach dem morbiden Charme vergangener Tage, von dem wir im Vorfeld gelesen hatten.

Das Stadtbild in Budapest hat sich in den vergangenen Monaten vielerorts rasant verändert. „Bauen gegen die Krise“ titelt unser Reiseführer. Anlass ist eine EU-Förderperiode, deren Etat nur bis Ende diesen Jahres zur Verfügung steht. Bis dahin nicht verwendetes Geld muss wieder zurückgezahlt werden. Das wäre doch schade. Also wird gebaut und modernisiert was das Zeug hält.

Eine weitere Anekdote, die vielleicht etwas über den Pragmatismus der Ungarn verrät: Die Verfassung des Landes wurde nicht etwa im Rahmen einer breit angelegten Diskussion erarbeitet, sondern auf dem Tablet im Zug zwischen Straßburg und Brüssel verfasst.

Doch zurück zu unserer Reise: Die Unterkunft, ein stilvoll eingerichtetes Apartment in zentraler Lage und tollem Ausblick, fanden wir im Vorfeld via airbnb und war eines der Highlights unseres Aufenthaltes und jede Empfehlung wert.

Wir erkundeten die Stadt fast ausschließlich zu Fuß und starteten dazu in Buda, überquerten die Kettenbrücke und ließen uns in Pest durch das jüdische Viertel treiben, um zu erkunden, wie die Menschen in Zeiten des Wandels in ihrer Stadt leben. Kulinarisch haben es uns dabei die köstlichen Hummus-Gerichte angetan. Später probierten wir eine echte ungarische Spezialität auf einem traditionellen Farmers-Market. Das in Öl gebratene Fladenbrot Langosch wird mit reichlich Knoblauch bestrichen. Simpel und lecker!

Im Capacenter sahen wir eindrucksvolle Farbfotos vom Magnum Fotografen Robert Capa (geboren in Budapest) und besuchten am nächsten Tag die Word Press Photo Ausstellung. Die historischen Fotos von Capa und die Aufnahmen des aktuellen Zeitgeschehens demonstrierten eindrucksvoll die visuelle Veränderung der Bildreportagen. Während Capa noch mit vergleichsweise ruhiger ästhetischer Bildsprache zu Werke schritt, scheinen sich Fotos aus aktuellen Kriegs- und Krisengebieten in puncto Dramatik, Brutalität und physischer Nähe zum Menschen zu überbieten.

Besonders interessant waren für mich die Erläuterungen zu Capas frühen Erfahrungen mit der Farbfotografie. Capa experimentierte bereits 1938 mit dem neuen Medium – zwei Jahr nachdem Kodak den ersten Farb-Rollfilm Kodachrome herausbrachte. Der Fotojournalist erkannte unmittelbar das Potenzial.

„Please immediately send 12 rolls of Kodachrome with all instructions; whether special filters are needed, etc. – short, all I should know. Send it ‚Via Clipper‘ because I have an idea for Life.“Robert Capa, 1938

Als nachteilig stellten sich damals im Vergleich zum Schwarz-Weiß-Film die geringere Empfindlichkeit, lange Durchlaufzeiten zum Entwickeln der Filme bei Kodak selbst und damit geringes Interesse der Printmedien für Farbfotos heraus. Trotzdem hielt Capa an seiner Überzeugung fest und war fast immer mit zwei Kameras unterwegs – eine für Farb- und eine für Schwarz-Weiß-Fotos.

Die Agentur Magnum zeigt bis heute auf ihrer Website ausschließlich Schwarz-Weiß-Fotos ihres Gründungsmitgliedes. Dabei haben mich die fotografische und technische Qualität der Farbaufnahmen in der Ausstellung sehr angesprochen.

In Fotoforen und auf diversen Blogs erscheint mir die Diskussion Farb- vs. Schwarz-Weiß-Fotografie häufig mehr eine Frage persönlicher Paradigmen und weniger eine der visuellen Aussagekraft zu sein. Was ich damit sagen möchte: Gezielt für bestimmte Motive und Serien eingesetzt, können Schwarz-Weiß-Fotos sehr sinnvoll sein. Es gibt ganz sicher Aufnahmen, die erst durch den Verzicht auf Farbe ihr volles Potenzial entfalten. Persönlich fällt es mir immer noch schwer, in Farbe Gesehenes und Fotografiertes anschließend am Rechner in Schwarz-Weiß umzuwandeln.

Letzteres kam für die herbstlichen Eindrücke in Budapest nicht in Frage, um in Farbe genau jenes morbide Flair zu zeigen, das über die Stadt verteilt noch immer präsent ist – alte Autos, restaurierungsbedürftige Fassaden und improvisierte Bars und Clubs, in denen das legendäre Budepester Nachtleben stattfindet.

Die Aufnahmen sind alle mit meiner Leica M und einem 35er Summarit-M Objektiv entstanden.


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